„Don Karlos“ von Gymnasiasten

von Claus Clemens, Rheinische Post, 1. Dezember 2008

Über 7000 Verse umfasst die Altersversion von Schillers „Don Karlos“. Für die Bühne kürzt man dann etwa 2000 weg. Immer noch ein ganz schönes Paket Lesestoff, was derzeit als Pflichtlektüre für das Zentralabitur bleibt. Die Theatergruppe am Goethegymnasium zeigt in ihrer ersten Szene des Dramas den radikalsten Umgang mit dem Drama: Man reißt ein paar Seiten aus dem Reclamheft und isst sie einfach auf. Seit zwei Jahren kooperiert das Schauspielhaus mit dem vielfach prämierten Schülertheater des Goethelehrers Michael Stieleke. Jetzt durften die Amateure ihre neueste Produktion im Kleinen Haus am Gründgensplatz zeigen. Sozusagen als Konkurrenz zur professionellen Inszenierung im Großen Haus. Zu erleben waren siebzig intensive Minuten der Auseinandersetzung mit Schillers Begriff von Freiheit. Eine Erzählerin füllte aus dem Hintergrund die Lücken, die sich aus den knappen Szenenfolgen der Schüler ergaben. Deren breites Personaltableau ließ sogar noch Raum für Spekulationen. Standen die sechs Mädchen, die in sportlich-moderner Kleidung auf beiden Seiten der Bühne das Geschehen kommentierten, für die unterdrückten Nordprovinzen Spaniens? Oder waren es einfach die jungen Menschen von heute, die mit dem Pathos des Klassikers nur wenig anfangen konnten? Dem richtungslos ungestümen Karlos empfahl man jedenfalls: „erst mal kalt duschen.“

Zu erleben war im Kleinen Haus eine jugendlich stringente Lesart des „Don Karlos“ mit genauer Choreographie der Abläufe. Ein beeindruckender Theaterabend. Wer als Schüler hier mitgemacht hat, wird sich den Fragen des Zentralabiturs selbstbewusst stellen.

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